Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Von Bad Harzburg nach Ilsenburg 26.06.2024 Je mehr Tage, Wochen, Monate sowie Jahre man auf seiner Uhr nachzählen kann, desto mehr spürt man (eventuell), dass der Körper aus Knochen und Muskeln gebastelt wurde. Mir fällt es inzwischen leichter, zehn Kilometer zu wandern, als zehn Minuten zu stehen. Deshalb sind mir Stehkonzerte ein Graus und Wanderungen ein Bedürfnis geworden. Mein Gerüst sollte möglichst beweglich bleiben und einige überflüssige Ansammlungen von Masse wieder verschwinden. Der heutige Sommertag eignet sich gut, für einen weiteren Versuch, gegen Bequemlichkeit und Körperfülle anzugehen. In einem Seniorenheim in Bad Harzburg übergebe eine Geschenktüte für das Sommerfest. Ich freue mich über ein glückliches Gesicht und fahre anschließend bis zum Wanderparkplatz am Taternbruch. Auf mich warten knapp dreizehn Kilometer Strecke bis Ilsenburg sowie gut zweihundert Meter über die Harzberge hoch und runter. Mein Universalgefährt wird mich in sechs Stunden vom Parkplatz in Ilsenburg wieder abholen. Dann werde ich nämlich „fick und fertig“ (Naomol) sein. Die ersten Schritte darf ich noch im Schatten proben, dann macht die Sonne ernst und ballert was ihr Glutofen hergibt. Da ahne ich, dass sie heute kein Erbarmen mit mir (und anderen Wanderern) haben wird. Ich gehe auf einem Asphaltband durch das Tal der Randau, die steile Abkürzung am Lohnbach entlang, verkneife ich mir. Am Straßenrand blüht der Fingerhut und ein Steinpilz duckt sich unter die Grasnarbe am Rand. Die Straße ist zwar ein Umbogen, zieht mich aber gemächlich hinauf, ohne dass ich mich quälen müsste. Es geht vorbei an einer ehemaligen Pferdetränke, deren Wasser meine erste Abkühlung ist. Der glühende Planet brennt schon jetzt und der Ausblick zurück zum Ausgangspunkt ist gigantisch. Nach einer Stunde und drei Kilometern ständigen Ansteigens, erreiche ich die schattige Wanderhütte Luisenbank. Hier verweile ich einen Moment, gönne mir ein paar Schluck (Wasser) und plaudere mit einem Wanderer, der weiter zum Molkenhaus möchte. Ich wähle die andere Richtung, weiter zur Eckertalsperre. Die Piste führt hinab in einen Talkessel, den die Staumauer mit einer glitzernden Wasserfläche überspannt. Ein herrlicher Anblick: der See und weit dahinter steigt der Brocken in den Dunst des Himmels. Links von ihm ragt die Scharfensteinklippe mit fast 700 Metern über die Wasserfläche. Da oben stand ich schon, den riesigen See mir zu Füßen ( HIER ). Das war ein traumhaft schöner Moment. Jetzt gehe ich über die Staumauer, schaue über das Glitzern des Wassers auf beide Berge und staune wieder. Es ist so verdammt schön hier! Dass einst eine deutsche Grenze sogar die Wasserfläche teilte, daran erinnert heute nur noch ein schlichter „Holzpflock“ auf der Staumauer. Ein begehrtes Fotomotiv, für mich schon zum zweiten Mal. Auf der anderen Seite der Staumauer empfängt die Nummer 1 aller Stempelkästen den Wanderer. Der ziert schon mein Wanderheft, andere stempeln fleißig. Am Ufer führt der Weg weiter: knorrig, steinig, Wurzeln, Stolperstellen. Man muss höllisch aufpassen, darf sich nicht von der lockenden Schönheit des Wassers ablenken lassen. Da steht auf einer Uferanhöhe einsam eine Bank, eine See-Nymphe sehe ich dort nicht. Dafür aber eine herrliche Sicht auf die Staumauer auf der einen sowie den Brocken auf der anderen Seite. Wieder bin ich fasziniert von der Landschaft im Harz, von der Stille und der Natur. Kein Mensch gelangt mit dem Auto hierher. Man muss laufen oder (elektrisch) Rad fahren, um Flecken wie diesen bestaunen zu können. Also gönne ich mir (bei Kilometer fünf) einen Augenblick des Staunens, ehe ich ein paar Schritte weiter im Hang eine Wanderhütte sehe. Dies ist der Abzweig zum Kruzifix. Ein Wanderpaar macht Mittagspause. Ich setze mich dazu, auch ich brauche jetzt eine Pause, um Energie aufzutanken. Die beiden kommen aus Thale, also plaudern wir über das Wandern im Harz und das Sammeln von Stempeln. Nicht der Vollständigkeit wegen, sondern um schöne Flecken zu entdecken, sich selbst zu bewegen und manchmal, um sich zu überwinden. So lernt man die wilde Natur im Harz kennen und schätzen. Nach der Pause liegen zwei weitere Kilometer auf 600 Meter in sengender Hitze vor mir. Diesmal wandere ich an großen Flächen voller totem Gehölz entlang. Dazwischen stehen junge Bäume schon mannshoch und verdecken schon vieles, was am Boden vermodert. In zehn Jahren, denke ich, wird man hier oben nur noch Grünes sehen und der Blick hinüber zur Rabenblicke, mit dem Gasthaus und dem Luchsgehege, die ich mehrmals gut sehen kann, wird nicht mehr möglich sein. Nichts ist so allgegenwärtig und stetig, wie Veränderung. Gegen 13.00 Uhr und nach drei Stunden erreiche ich bei Kilometer 7,2 das Kruzifix. Dies ist heute der höchste Punkt (595m) meiner Wanderung ( HIER ). Diesmal setze ich mich zum Verschnaufen in die Hütte, es ist inzwischen drückend heiß. Eine kleine Gruppe will heute noch auf die Scharfensteinklippe an der Rangerstation. Respekt! Vor mir liegt die zweite Hälfte meiner Wanderung und die führt nur noch vom Berg runter, abwärts. Wer jetzt meint, das wäre leichter, ist leider im Irrtum. Dieser Abschnitt wird in die Gelenke gehen, weiß jeder Wanderer. Ich versuche noch mein „Taxi“ anzurufen, doch vergeblich. Es gibt keinen Empfang, kein Netz, kein Internet hier oben. Ich muss trotzdem weiter! Meine Schritte sind noch leicht und flüssig. Links und rechts sind die Hänge zum größtenteils wieder in Grün getaucht, aber das ist noch jung. Kein Schatten, doch inzwischen trage ich einen Sonnenhut, um mir nicht das Haupt zu verbrennen. Diese drei Kilometer nur abwärts machen allmählich meine Beine müde und den Rücken steif. Man versucht unbewusst abzubremsen und verkrampft dabei, ohne es zu merken. Unten im Ilsetal ist endlich Schatten, aber mein Rücken meldet sich und wird auf den letzten drei Kilometern mein stänkernder Begleiter sein. Da nimmt man die Schönheit entlang des Flusses nur noch mit halben Sinnen wahr, muss im Zwielicht auf den Weg achten, will man nicht stolpern. An der Flussbiegung wachsen schon wieder die Steintürme. Nur die zersägten und beiseite geräumten Baumstämme erinnern noch an die Unwetter der vergangenen Tage. Dass es hier einen Raubüberfall gab, mag ich mir noch immer nicht vorstellen. Es macht etwas in meinem Kopf und ich frage mich, wo treibt diese Gesellschaft hin, was machen Politik, Medien, Internet und grenzenlose Gier nach Konsum und Besitz mit vielen Menschen …? Nach fünf Stunden und knapp dreizehn Kilometern sitze ich, etwas erschöpft und müde, auf der Bank am Parkplatz. Auf der Strecke hatte ich wieder einige Harzsteine „verloren“, meinen letzten drücke ich einem kleinen Jungen in die Hand. Was gibt es schöneres, als das glückliche Lächeln eines Kindes?? Kurz zuvor, nämlich am Ortseingang, hatte ich auch wieder Netz. Als ich auf dem Parkplatz in mein „Taxi“ sinke, bin ich glücklich, aber „fick & fertig“, wie Naomol es so schön formulierte. Ich bin platt wie eine Flunder, aber stolz, diesen „Ritt“ gewagt und geschafft zu haben. Der Aufstieg zum Brocken sollte also eine der nächsten Erfahrungen sein.